Kompetenzoutsourcing

2018-05-10 12:27
von Susanne Günsch

was externe Experten in Kitas können

Als ich neulich eine Suchanfrage bekam nach einer Umweltpädagogin, die Kinder in den nahen Park begleitet, dachte ich bei mir: Warum machen das nicht die ErzieherInnen?

Es ist ja gegen Experten, die unterstützend dazu kommen, nichts einzuwenden. Aber meiner Ansicht nach sollte es elementares Know-how einer ErzieherIn sein, Kindern die Natur nahe zu bringen. Nun ist es sicherlich nicht die Leidenschaft jeder ErzieherIn. Gerade die Offene Arbeit geht ja davon aus, daß es Fachfrauen statt pädagogischer Zehnkämpfer gibt. Nicht jede Erzieherin ist gleichzeitig großartig in Musik oder Kunst, im Werken, in Umweltpädagogik, in Bewegung oder Rollenspiel und in Entspannung, Englisch und was es sonst noch an Schwerpunkten gibt. Sondern jede Pädagogin hat einen oder vielleicht auch zwei Schwerpunkte, die ihren Talenten und Leidenschaften entsprechen. Dann ist es die Kunst, das Team so zusammenzustellen, daß alle für die Kinder wichtigen Bereiche abgedeckt sind. Sollte es zu elementaren Bereichen niemanden mit Leidenschaft geben, kann es sein, daß sich das jemand aneignet. Evtl auch, daß einzelne Bereich bei den KollegInnen rotieren.

In Reggio geht es um „die 100 Sprachen der Kinder“, also die vielen Möglichkeiten, sich mit der Welt auseinanderzusetzen und den Eindrücken Ausdruck zu verleihen. Dazu sind in den kommunalen Kitas in Reggio Künstler oder Kunstpädagogen angestellt. Aber sie machen mit den Kindern keine Kunstprojekte, sondern sie bringen ihre Kompetenz ins Team und auch in die konkrete Arbeit mit den Kindern ein. In jedem Projekt, gleich zu welchem Thema oder Bildungsbereich, geht es um ästhetischen Ausdruck. Wenn hierzulande KünstlerInnen in Kitas sind, dann meistens an einem festen Tag der Woche im Atelier für  einzelne Angebote. Sie entlasten das Team, das froh ist, daß jemand etwas Besonderes mit den Kindern macht. Eine Kooperation oder wenigstens  ein Austausch ist in der Regel nicht vorgesehen oder zeitlich nicht möglich. So profitieren aber die ErzieherInnen nicht von den künstlerisch-ästhetischen Kompetenzen und auch die Einbettung in den Alltag und die Themen fehlt.

Bei Fremdsprachen verhält es sich noch spezieller. Kitakinder lernen ganz einfach neue Sprachen, jedoch im Immersionsprinzip viel besser als wenn 1xwöchentlich jemand mit den Kindern „spielerisch“ englisch spricht. Immersion bedeutet eintauchen ins Sprachbad: Eine oder mehr MitarbeiterInnen sind englische Muttersprachler und sprechen deswegen ausschließlich englisch mit den Kindern – beim Essen, beim Spielen, in Angeboten oder Projekten... Kinder hören den Sprachklang, bekommen nach und nach eine Idee der Grammatik und merken sich Wörter und Formulierungen, die für sie bedeutsam sind. In der „1x-die-Woche-Käseglocke“ entfällt das alles und bei den Kindern bleibt kaum etwas hängen. Sollte so ein Angebot zusätzlich von den Eltern für ihre Kinder gebucht und bezahlt sein, manifestiert es Bildung nach Geldbeutel. Häufig entscheiden auch die Eltern statt der Kinder. Dabei sollte es nach dem Interesse der Kinder gehen und auch so organisiert sein.

Ähnlich verhält es sich dann ggf. mit externen Fachmenschen für Musik oder Bewegung… - das geht dann so lange, bis die ErzieherInnen nur noch für’s Spielen zuständig sind. Spielen ist das Wichtigste für die Kinder, immerhin bleibt das bei der Pädagogin. Aber es koppelt das Spielen vom Lernen ab. Dieses Kompetenzoutsourcing entwertet das Berufsbild Erzieherin. Sie sind doch dazu da pädagogisch-fachlich und mit ihren Leidenschaften für bestimmte Bereiche die Sprachen der Kinder zum Leben zu erwecken. Dann sind sie ihnen auch authentische Diskurspartner und LernbegleiterInnen.

Externe Experten können den pädagogischen Alltag in der Kita sehr bereichern, sie bringen andere Kompetenzen, Methoden und Sichtweisen mit. Jede Berufsgruppe ist dazu interessant, alle lernen etwas dabei. Im miteinander arbeiten und sich austauschen über Wahrnehmungen steckt viel Potenzial, aber das muss organisiert werden. Externe sind nicht einfach nur Entlaster  oder  Ergänzung sondern Dialogpartner. Nicht nur für die Kinder, auch für die Erwachsenen. So kann man Außenansichten erfahren. Das bereichert die eigenen Ansichten und bringt Überraschungen hervor.

Und: ErzieherInnen müssen nicht alles wissen, aber immer offen für Neues sein. Nur wenn sie selbst in ihrer Rolle zu Lernenden werden, können sie den Kindern gute Begleitung sein. Wie das gehen kann und wieviel Freude PädagogInnen an ihrem Beruf dabei gewinnen, das zieht sich wie ein roter Faden durch meine Fortbildungen und Beratungen in Kita-Teams.

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